Frage: Ein Bekannter von mir war neulich an der Schlichtungsverhandlung und erzählte mir danach, der Vermieter habe dort die Offenlegung der Belege unter Hinweis auf das Mietzinsmodell verweigert.
Durfte der Vermieter das?
Antwort: Im Schlichtungsverfahren passiert dem Vermieter nichts. Das Gericht hingegen wird die erforderlichen Belege bei Amtstellen und bei Dritten einfordern, soweit das möglich ist.
Wenn der Vermieter nun sagt, er gebe 12% der Mietzinseinnahmen für Unterhalt aus, entspricht dies zwar dem Modell des BWO. Er hat damit aber keinen einzigen Franken Unterhaltskosten bewiesen und riskiert, dass sein Abzug für Unterhalt gestrichen wird und somit ein zu hoher Restertrag resultiert, der im Verhältnis zum Eigenkapital wiederum eine zu hohe Nettorendite ergibt.
Wenn der Vermieter nun sagt, er gebe 12% der Mietzinseinnahmen für Unterhalt aus, entspricht dies zwar dem Modell des BWO. Er hat damit aber keinen einzigen Franken Unterhaltskosten bewiesen und riskiert, dass sein Abzug für Unterhalt gestrichen wird und somit ein zu hoher Restertrag resultiert, der im Verhältnis zum Eigenkapital wiederum eine zu hohe Nettorendite ergibt.
Vermieter: Welche Bedeutung hat das Mietzinsmodell heute?
Antwort: Es handelt sich um Standardzahlen, von welchen die Renditesätze und gewisse Anpassungsfaktoren abgeleitet sind.
Im Modell ging man unter anderem von folgenden Eckwerten aus:
- Modell-Referenzzins: 3%
- Eigenkapitalquote des Modell-Eigentümers: 40%
- Fremdkapital-Zins des Modell-Eigentümers: 0.5% über Referenzzins (Pechvogel-Polster und Berücksichtigung von Grundpfandzins-Konditionen nachrangiger Stellen)
Hinsichtlich der Bruttrendite nahm man folgendes an:
- Anlagekosten: 2 Mio. (für z.B. 5 Wohnungen samt Parkplätzen)
- Bruttorenditenzuschlag: 2% über Modell-Referenzzins (3%)
- Jahresertrag: Fr. 100'000.-
- Hypothekarzins: - Fr. 42'000.-
- Unterhalt: - Fr. 12'000.-
- Rückstellungen: - Fr. 10'000.-
- Betriebskosten: - Fr. 8'000.-
- ---------------
- Netto-Ertrag: Fr. 28'000.-
Mieterin: Wieso hat dann das Bundesgericht am 26.10.2020 den Nettorenditen-Zuschlag auf 2% angehoben?
Antwort: Das ist bis heute auch Fachleuten ein Rätsel. Der Entscheid stellt alle Gerichte vor knifflige Folgefragen,
die bis heute nicht alle beantwortet sind. Es werden sicher durchaus fähige Juristinnen und Juristen ans Bundesgericht berufen. Es kommt aber oft vor, dass diese dann aber nicht
in ihrem eigentlichen Fachgebiet tätig sind. Staats- oder Steuerrechtler mit 10-20 Jahren Berufserfahrung müssen plötzlich Fälle aus dem Mietrecht beurteilen.
Relativierend kann man aber sagen, dass der erwähnte Bundesgerichtsentscheid nicht dazu geführt hat, dass z.B. ein Mietzins von Fr. 1'580.- auf Fr. 2'100.- angehoben wurde. Dies deshalb, weil insbesondere die Pensionskassen bereits eine Rendite von 3.2% bis 3.4% erwirtschafteten, als die Rechtsprechnung noch eine Rendite von 1.75% erlaubte (vgl. Donato Sconamiglio im '10vor10' vom 24.11.2020 [ab Min. 18:20]). Studien und modellbasierte Überlegungen legen aber nahe, dass die erzielten Renditen sogar höher sind.
Relativierend kann man aber sagen, dass der erwähnte Bundesgerichtsentscheid nicht dazu geführt hat, dass z.B. ein Mietzins von Fr. 1'580.- auf Fr. 2'100.- angehoben wurde. Dies deshalb, weil insbesondere die Pensionskassen bereits eine Rendite von 3.2% bis 3.4% erwirtschafteten, als die Rechtsprechnung noch eine Rendite von 1.75% erlaubte (vgl. Donato Sconamiglio im '10vor10' vom 24.11.2020 [ab Min. 18:20]). Studien und modellbasierte Überlegungen legen aber nahe, dass die erzielten Renditen sogar höher sind.
Vermieter: Sie haben gesagt, unter der Haube des Bruttorenditenansatzes seien meine Ausgaben bereits mitberücksichtigt - müsste dieser dann nicht auch angehoben werden? Ich denke an die Erhöhung des Bruttorenditen-Zuschlages (über Referenzzins) von 2% auf 4%. Dann hätte ich heute eine Bruttorendite von 1.75 + 4% = 5.75% auf einem Haus, das vor 8 Jahren gebaut wurde.
Antwort: Es gibt tatsächlich ein einzelnes Kantonsgericht, das so rechnet (Kanton VD). Dahinter steckt womöglich die alltägliche Beobachtung, dass auch eine Dose Bier 30% länger ist, wenn sich zusätzliche 30% Bier darin finden sollen. Dasselbe gilt für eine Schoko-Riegel-Verpackung.
Diese Auffassung ist mietrechtlich betrachtet natürlich völlig verfehlt: Im Modell benötigt der Vermieter lediglich Fr. 12'000.- an zusätzlichem Nettoerlös (d.h. Fr. 40'000.- statt 28'000.-), um bei einem Eigenkapital von Fr. 800'000.- auf eine Nettorendite von 5% zu gelangen (Modell-Ziel-Rendite nach dem Bundesgerichtsentscheid vom 26.10.2020 [bei 3% Modell-Referenzzins]). Das erreichen Sie bereits mit einer Anhebung der Bruttorenditen-Haube um 0.6% (d.h. von 2% auf 2.6% von 2 Mio. Modell-Anlagesumme):
Ich spreche hier vom Modell. Der Bundesgerichtsentscheid spricht sich ja nur für einen erhöhten Nettorenditen-Zuschlag aus, solange sich die Referenzzinsen unter 2% bewegen. Die vorstehenden Überlegungen zeigen aber dennoch auf, dass ein Bruttorenditenzuschlag von 4% systemwidrig ist.
Diese Auffassung ist mietrechtlich betrachtet natürlich völlig verfehlt: Im Modell benötigt der Vermieter lediglich Fr. 12'000.- an zusätzlichem Nettoerlös (d.h. Fr. 40'000.- statt 28'000.-), um bei einem Eigenkapital von Fr. 800'000.- auf eine Nettorendite von 5% zu gelangen (Modell-Ziel-Rendite nach dem Bundesgerichtsentscheid vom 26.10.2020 [bei 3% Modell-Referenzzins]). Das erreichen Sie bereits mit einer Anhebung der Bruttorenditen-Haube um 0.6% (d.h. von 2% auf 2.6% von 2 Mio. Modell-Anlagesumme):
- Jahresertrag: Fr. 112'000.-
- Hypothekarzins: - Fr. 42'000.-
- Unterhalt: - Fr. 12'000.-
- Rückstellungen: - Fr. 10'000.-
- Betriebskosten: - Fr. 8'000.-
- ---------------
- Netto-Ertrag: Fr. 40'000.-
Ich spreche hier vom Modell. Der Bundesgerichtsentscheid spricht sich ja nur für einen erhöhten Nettorenditen-Zuschlag aus, solange sich die Referenzzinsen unter 2% bewegen. Die vorstehenden Überlegungen zeigen aber dennoch auf, dass ein Bruttorenditenzuschlag von 4% systemwidrig ist.
Mieterin: Wieso lässt das Gericht dem Vermieter überhaupt eine Rendite von 0.5% über Referenzzins durchgehen? Wäre ein Fixum nicht sachgerechter?
Antwort: Interessante Frage. Die Erhöhungssätze (z.B. Mietzinsaufschlag von 3% bei einem Referenzzinsanstieg von 0.25% nach Art. 13 VMWG) sind dafür letztlich nicht ausreichend dimensioniert: Ein Anstieg von Fr. 100'000.- auf Fr. 103'000.- wird durch die angestiegenen Fremdkapitalkosten (Fr. 42'000.- auf Fr. 45'000.-) bereits vollständig konsumiert.
Der Faktor, der auf die bisherigen Hypothekarzinsen von Fr. 42'000.- einwirkt, entspricht exakt dem Verhältnis von 3.75/3.5. Die individuelle Zinslast des Modellmieters liegt - wie bereits erwähnt - über 0.5% dem Referenzzins (was die Kosten von 2. und 3. Grundpfandverschreibungen im FK-Mix des Vermieters abbildet oder auch abfedert, dass der Vermieter vertraglich an ungünstigere Konditionen gebunden sein könnte).
Die Gerichte haben mit der Zeit begonnen, auch den zulässigen Renditesatz des Vermieters anzupassen. Das Modell gibt solcherlei gerade nicht vor. Insofern atmet der Mietzins zwar in den nach Art. 13 VMWG limitierten relativen Bewegungen. Ein Richter würde aber im Zeitpunkt X zu einer absoluten Betrachtung der Rendite schreiten und sich auf die Frage konzentrieren, ob der zuletzt erzielte Mietzins zu einer Rendite führt, welche absolut den Wert von 0.5% über Referenzzins übersteigt.
Der Faktor, der auf die bisherigen Hypothekarzinsen von Fr. 42'000.- einwirkt, entspricht exakt dem Verhältnis von 3.75/3.5. Die individuelle Zinslast des Modellmieters liegt - wie bereits erwähnt - über 0.5% dem Referenzzins (was die Kosten von 2. und 3. Grundpfandverschreibungen im FK-Mix des Vermieters abbildet oder auch abfedert, dass der Vermieter vertraglich an ungünstigere Konditionen gebunden sein könnte).
Die Gerichte haben mit der Zeit begonnen, auch den zulässigen Renditesatz des Vermieters anzupassen. Das Modell gibt solcherlei gerade nicht vor. Insofern atmet der Mietzins zwar in den nach Art. 13 VMWG limitierten relativen Bewegungen. Ein Richter würde aber im Zeitpunkt X zu einer absoluten Betrachtung der Rendite schreiten und sich auf die Frage konzentrieren, ob der zuletzt erzielte Mietzins zu einer Rendite führt, welche absolut den Wert von 0.5% über Referenzzins übersteigt.