Mieterin: Die BASS-Studie vom 8. Februar 2022 förderte zutage, dass die Nettorenditen sich im Bereich von über 6% bewegen.
Vermieter: Kein Wunder, die Studie wurde vom Mieterinnen- und Mieterverband in Auftrag gegeben!
Antwort: Die BASS-Studie
  • stützt sich auf zuverlässige Daten des Bundesamtes für Statistik
  • gelangt zu ähnlichen Befunden wie die Raiffeisenbank im Jahr 2017
  • bestätigt makroökonomisch, was sich mikroökonomisch aus dem Mietzinsmodell (Annahme: Mieter stellen während der letzten 14 Jahre kein Herabsetzungsbegehren, indiv. Hypo-Zins sinkt auf ca. 1%) ergibt:
  •   Jahresertrag:      Fr. 100'000.-
  •   Hypothekarzins:  - Fr.  12'000.-
  •   Unterhalt:       - Fr.  12'000.-
  •   Rückstellungen:  - Fr.  10'000.-
  •   Betriebskosten:  - Fr.   8'000.-
  •                    ---------------
  •   Netto-Ertrag:      Fr.  58'000.-
Antwort: Erläuterung:
  • Ein Resterlös aus Mietzinseinnahmen von 58'000.- / 800'000.- EK ergibt im Modell eine Nettorendite von 7.25 %
  • Nach Berücksichtigung der Teuerung auf dem Betrag von Fr. 800'000.- (ab 2009) beträgt die Rendite noch immer stolze 6.8% (statt den erlaubten 3.75%)
Mieterin: Wie konnte das passieren? Wir haben doch ein Mietrecht in OR und VMWG?
Antwort: Die Ursachen für diesen Verlauf sind vielfältig. Beispiel
(Adresse: Musterweg 25):
  • Der Mieter einer Wohnung am Musterweg 25 stellt weder 2009 noch in den Folgejahren ein Herabsetzungsbegehren.
  • Nach dem Auszug des Mieters im Frühjahr 2013 vermerkt der Vermieter im Mietvertrag: "Mietzins basiert auf dem aktuellen Referenzzins 2.25%"
    (natürlich ohne den Mietzins in Franken tatsächlich auch zu senken).
  • Die Fremdkapitalkosten des Vermieters liegen in diesem Zeitpunkt längst weit unter einem Wert von 3% bzw. Fr. 42'000.- gemäss Modell
  • Der Vermieter renoviert* beim nächsten Mieterwechsel Küche (Fr. 12'000.-) und Bad (Fr. 8'000.-) und erhöht die Miete um weitere Fr. 250.- (Faktor 4 zu hoch)
  • Der Vermieter notiert im Mietvertag eine Mietzinsreserve von weiteren Fr. 200.- (ohne diese bei einer Behörde nachweisen zu müssen).
  • Der Vermieter erhält an die energetische Sanierung Fr. 100'000.- an kantonalen Fördergeldern, bringt diese anlässlich einer weiteren Mietzinserhöhung jedoch nicht von den Investitionskosten in Abzug.
  • Beim einem erneuten Mieterwechsel im Jahr 2022 korrigiert der Vermieter den Referenzzins-Vermerk auf 1.25%. Im Juni 2023 kann der Vermieter den Mietzins erneut erhöhen.
  • Der Mieter in der Wohnung über dem Mieter zog im Frühjahr 2005 ein und beantragt im Herbst 2022 eine Senkung, da sein Mietzins (Fr. 1'600.-) noch auf einem Referenzzins von 3.25 beruht. Die webseite mietrecht.ch errechnet eine Senkung von gut Fr. 245.- pro Monat**. Die Schlichtungsstelle überredet den Mieter zu einem Vergleich, wonach der Mietzins nur um Fr. 50.- gesenkt aber dennoch ein Referenzzins von 1.25% und aktualisierte Kostenstände festgehalten werden sollen. Der Mieter erscheint ohne Rechtsbeistand, ist verunsichert und lenkt ein. Beim Verlassen des Saales realisiert der Mieter, dass der "Vermietervertreter" der paritätischen Schlichtungsstelle - der in der Verhandlung den Zins als quartierüblich bezeichnete - und der Vermieter per Du sind.
  • Der Mieter wendet sich im Herbst 2023 rechtzeitig bei Erhalt der Erhöhungsanzeige an einen Berater, der aber nur die relative Erhöhung prüft und den Mieter pflichtwidrig nicht auf die möglicherweise missbräuchliche Rendite hinweist.
  • Der Vermieter beruft sich - auf diese Punkte angesprochen - auf die Orts- und Quartierüblichkeit seines Mietzinses und die Wertsteigerung von Immobilien im allgemeinen (statt auf die seinerzeitigen Anlagekosten, als er die Liegenschaft kaufte) - entgegen der gefestigten Bundesgerichtspraxis.
  • Während der ganzen Haltedauer wendet der Vermieter der Liegenschaft Musterweg 25 weit weniger als 12% der Mieteinnahmen für Unterhalt auf. So verbleibt ihm mehr Gewinn. Auch die 10% für Rückstellungen, welche kalkulatorisch noch immer im Bruttorenditen-Ansatz enthalten sind, verwendet er sachfremd.
  • Im obigen Modell wird aus dem längst nicht mehr mietrechtskonformen Nettoerlös von Fr. 58'000.- ein solcher von Fr. 70'000.- (kein Unterhalt) bzw. Fr. 80'000.- (abgezweigte Rückstellungen).
  • Ein solcher Vermieter kann alle 10 Jahre sein Portfolio verdoppeln: 2, 4, 8, 16, 32, 64, etc. - und zwar aus eigener Kraft. Dabei ist mit anderen Worten noch nicht einmal berücksichtigt, dass er in den letzten 10 Jahren z.T. Fremdkapital zu unter 1% Zins aufnehmen konnte.
  • Die Mieter, welche über Jahre und Jahrzehnte 22% (d.h. monatlich Fr. 220.- bei einer Miete von Fr. 1'000.-) für den Fall anzahlten, dass die Liegenschaft dereinst renoviert werden muss, werden gewissermassen bestohlen.
  • Ein solcher Vermieter reagiert oft gar nicht, wenn der Mieter oder die Mieterin einen Mangel (z.B. defekte Herdplatte) melden oder wird sofort aggressiv.
  • Der neue Eigentümer ist daher versucht, möglichst sämtliche Renovationkosten auf die Mieter zu überwälzen, womit die Mieter letztlich für Rückstellungen und Unterhalt ein zweites Mal zur Kasse gebeten werden sollen. In der Presse wird dennoch das Bild eines verzweifelten neuen Eigentümers gezeichnet, der aufgrund einer "Diktatur" (paritätische Wohnschutz-Kommission) seine Sanierung "erst in 150 Jahren" amortisieren kann (so 2023 geschehen in Basel-Stadt, vgl. auch SRF Eco Talk vom 25.3.2024 [ab min. 21:37]). Die Mieterverbände stellen die Frage, ob der monatliche Diebstahl (22%) an den Mieterinnen und Mietern stattdessen weitergehen solle, nur damit es der Bauwirtschaft gut gehe. Die Hauseigentümer ihrerseits kündigen an, dass energetische Sanierungen ab sofort nicht mehr getätigt würden und berufen sich auf die Eigentumsfreiheit. Zum Teil weisen sie auch auf das Recht der Mieter hin, den Anfangsmietzins anzufechten.
  • Bereits die bundesgerichtlichen Vorgabe zum sog. Bruttorenditenzuschlag bei neueren Bauten wird in der Immobilien-Praxis oft schon um über 1% überboten. Bei einer Überbauung entstehen so Mietzinse, die schon am ersten Tag 20% zu hoch liegen. Dieser Fehler kann durch blossen Anpassungen an veränderte Referenzzinse nicht korrigiert werden, während der ganzen Lebensdauer der Liegenschaft.
  • Kursteilnehmer im Kurs für angehende Immobilienverwalter: "Wenn ich meinem Klienten eine Vermietung zu mietrechtskonformen Mietzinsen vorschlage, vergibt er das Mandat an eine andere Verwaltung. Das hat mir mein Chef neulich erklärt."
  • Die Immobilienwirtschaft gerät in einen Rauschzustand. Es kommt dem einzelnen Käufer nicht mehr darauf an, ob er eine Mio. mehr bezahlt für ein neues Objekt.
  • Die Anlagewerte schrauben sich nun auch auf dem Papier schneller hoch, als es bei Durchsetzung der Mietzinsvorschriften der Fall gewesen wäre.
  • Der Gesetzgeber hat zwar in Art. 269 OR prophetisch vorhergesehen, dass es "übersetzte Kaufpreise" geben könnte und auch auf diesem Weg missbräuchliche Mieten drohen. Doch er hat keine Sensoren eingerichtet, welche den rechtsanwendenden Behörden deren Erkennung ermöglichen würden.
  • Es wird öffentlich Druck auf ältere Menschen ausgeübt, sie sollen doch in eine 1.5-Zi-Wg für Fr. 1'800.- umziehen.
  • etc.
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Mieterin: Hat man denn nach Erscheinen der BASS-Studie politisch nichts unternommen?
Antwort: Folgende zwei Geschäfte sind am 15. März 2024 - nach 24 Monaten und punktuell sehr zweifelhaften Stellungnahmen des Bundesrates - bedauerlicherweise verfallen: So trifft es erstens schlicht nicht zu, dass Vermieter bei der Erst- und Wiedervermietung an keinerlei Rechtsnormen gebunden wären (vielmehr: rechtsverbindliche Ansätze für die Brutto- und die Nettorendite). Sie ignorieren sie einfach.

Sodann ist es völlig verfehlt, Mietzinse, welche bei Erstvermietung die geltenden Regeln betreffend Bruttorendite einhalten würden, als "theoretisch" zu bezeichnen. Ein solcher Mietzins ist ein echter Frankenbetrag und gewährleistet unter der Haube sowohl die Deckung sämtlicher Kosten als auch eine sozialverträgliche Nettorendite zugunsten des Vermieters.

Unrichtig ist sodann die durchaus verbreitete Auffassung, der Mieter oder die Mieterin könne ja einfach den Anfangsmietzins anfechten. Diese Möglichkeit wurde vom Gesetzgeber an spezielle Voraussetzungen gekoppelt. Die Gerichtspraxis dazu hat sich in den letzten Jahren leider eher noch verschärft (BGer 4A_183/2020, mp 2021 | 3, S. 251 und BGer 4A_121/2023 [Entscheid nach Rückweisung]).